Der königlich-georgische Orden der Königin Thamar

© Jörg C. Steiner

Seit seit dem Jahre 1915  verleiht der jeweilige Thronprätendent auf den Thron Georgiens den einstufigen Orden der Königin Thamar. Ursprünglich war es nur ein Abzeichen, erst im Exil nach 1921 wurde es zu einem Orden umbenannt. Wenn er auch nach heutiger Rangfolge nur der zweithöchste Orden des Hauses ist, so ist er doch unzweifelhaft der älteste Orden Georgiens.

Vorgeschichte

Im Jahre 1914 gründete sich, zuerst in Deutschland, im Laufe der folgenden Monate wurde die Tätigkeit auch auf Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich ausgedehnt, das sogenannte „leitende Komitee des Unabhängigen Georgien“, dessen politisches Ziel es war Georgien vom „russischen Joch zu befreien“ und einen unabhängigen Staat zu errichten. Vorsitzender des Komitees war Peter Surguladse, weitere Mitglieder waren u.a. Fürst Georg Matschabeli, Michael von Tseretheli, Leo Keresselidse, Georg Keresselidse, sowie Meliton Kariwadse, der später auch Osman Bey genannt wurde.

Schon bevor es zu Kampfhandlungen zwischen Russland und der Türkei gekommen war, beabsichtigte das Komitee, mit deutscher Unterstützung eine Truppe aufzustellen, die mit Hilfe von Aufständen und Sabotage hinter den russischen Linien operieren sollte. Als es jedoch zu den ersten Kämpfen zwischen russischer und osmanischer Armee kam mussten sich schließlich die IX., X. und XI. osmanischen Armeekorps geschlagen zurückziehen. Diese militärischen Rückschläge, sowie die ohnedies schwierigen politischen Verhältnisse verzögerten die Aufstellung eines georgischen Detachements bis weit in das Jahr 1915 hinein. Schließlich wurde, mit tatkräftiger Unterstützung der deutschen Kaukasus-Expedition, eine solche Truppe gebildet. In den Kriegsgefangenenlagern der Deutschen und Österreicher wurden Offiziere und Unteroffiziere der zaristisch-russischen Armee mit georgischer Nationalität als Kaderpersonal für die sich laufend meldenden georgischen Freiwilligen angeworben. Im Winter 1915/16 wurden diese Freiwilligen in Trapezunt zusammengezogen und mit einer Ausbildung begonnen. Am 28. Februar 1916 wurde die nunmehr „Georgische Legion“ genannte Einheit nach Samsoun verlegt, wohin dann, unter anderem durch den Kleinen Kreuzer Breslau - Midilli, bis zum Frühsommer 1916 von Kostantinopel aus Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände, sowie Waffen gebracht wurden.

Der erste Kommandeur der „Georgischen Legion“ war Leutant Horst Schliephack, der durch eine Order des Armeekommandos vom 5. Dezember 1915 dem Stabe des Chefs des Generalstabes des Feldheeres zur besonderen Verwendung im Orient zugewiesen worden war. Die eigentliche Leitung der Legion oblag von Anfang an bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1917 dem deutschen Verbindungsoffizier bei der 3. Türkischen Armee, Hauptmann der Reserve Friedrich-Werner Graf von der Schulenburg, der als Diplomat bereits vor dem Krieg in Tiflis stationiert gewesen war.

Im Winter 1916/17 lag die Georgische Legion in den Bergen süd-ostwärts von Kerassund in Stellung und bestand aus 3 Infanterie-Kompanien, einer MG-Kompanie sowie den notwendigen Etappeneinheiten. Aus dieser Zeit wird als Kommandeur wird Oberleutnant Graf von Galen, als Arzt Dr. Rudolf Fricke und als Waffenmeister Otto Schliephack überliefert. Aufgrund der schwierigen Verhältnisse und wohl auch auf Druck der Osmanischen Regierung musste die Georgische Legion schließlich aufgelöst werden, was von Anfang Jänner bis etwa Mitte April 1917 vor sich ging. Zum Beispiel wurden rund 100 Angehörige der Legion - ausschließlich Christen - mit Booten Ende Februar 1917 von Kerassunt und Samsoun eingesammelt und nach Konstantinopel transportiert. Überhaupt wurden alle in Konstantinopel gesammelt, die nicht freiwillig in der Türkei bleiben wollten, und von dort nach Deutschland gebracht. Schließlich wurden diese Reste der Georgischen Legion im Sommer 1917 nach Rumänien verbracht, wo sie als Wachtruppe in dem Kriegsgefangenenlager Cotroceni Dienst taten

Um ein militärisches Ehren- und Erinnerungszeichen für Verdienste in der Georgischen Legion zu schaffen, entwarf Leutnant Horst Schliephack eine Dekoration, die in etwa eine Parallele zur osmanischen Kriegsmedaille, dem sogenannten Eisernen Halbmond, bilden sollte. Im Laufe des Jahres 1916 fertigte er einen Entwurf an, der auf der Basis eines achtstrahligen, glatten Bruststernes, viele Angehörige der Legion waren Mohammedaner und man wollte sie nicht durch die Kreuzform vor den Kopf stoßen, ein rundes Mittelmedaillon trug mit der Umschrift (in georgischen Buchstaben) „karthuli legioni 1915“. Im Zentrum des Mittelmedaillon befand sich das Portrait der legendären Königin Thamar (russisch: Tamara), die Georgien von 1184 bis 1212 regiert hatte. Es ist dem einzig erhaltenen Bildnis der Königin nachempfunden, das sich im Bethania-Kloster bei Tiflis befindet. (Eine weitere Beschreibung der Auszeichnung bzw. der verschiedenen Herstellervarianten erfolgt weiter unten im Artikel!) Der offizielle Name der Auszeichnung war das „Abzeichen der Georgischen Legion“ oder auch „Abzeichen der Königin Thamar“, inoffiziell wurde das Abzeichen seit etwa 1917 auch „Orden der Königin Thamar“ genannt. Ebenfalls in Anlehnung an den Eisernen Halbmond wurde zusätzlich zu dem sternförmigen Abzeichen ein Band gefertigt. Es sollte im Falle, dass der Stern nicht getragen wird, im Knopfloch - ähnlich dem Band des Eisernen Kreuzes oder eben des Eisernen Halbmondes - des Uniformrockes oder an der Bandspange (kleine Ordensschnalle) getragen werden. Die Grundfarbe des 26 mm breiten Bandes war Rot. In der Mitte befinden sich 14 mm breite und ca. 1 mm hohe Querstreifen in Schwarz, sodass links und rechts ca. 6 mm des roten Bandrandes übrig bleiben. Der Zwischenraum zwischen den schwarzen Querstreifen beträgt ca. 1 bis 1,5 mm. Im Winter 1916/17 schlug der Kommandeur der Georgischen Legion dem Komitee vor, diese Dekoration zu einer allgemeinen georgischen Auszeichnung für Verdienste um die Unabhängigkeit des Landes zu erweitern und es in einen Orden umzuwandeln. Das Komitee griff diese Idee gerne auf und bewirkte, dass die Stiftung und Verleihung im Einvernehmen mit der Sektion Politik des deutschen Großen Generalstabes vor sich ging. Verleihungsberechtigt war der Vorsitzende des Komitees, der die Verleihungen aufgrund der ihm gemachten Vorschläge vornahm. Laut Dr. Kurt Klietmann, der die näheren Umstände noch Ende der 1930er Jahre recherchierte und mit zahlreichen noch lebenden Akteuren gesprochen hatte, ergibt sich, dass eine Stiftungsurkunde und schriftliche Verleihungsbedingungen scheinbar nicht existiert haben bzw. konnten keine mehr ermittelt werden.

Als Erster erhielt, aus der Hand des Vorsitzenden des Komitees, der deutsche Generalfeldmarschall von Hindenburg die Dekoration „Abzeichen der Königin Thamar“, zusammen mit einer Verleihungsurkunde, die vom Vorsitzenden Surguladse und zwei oder mehreren Mitgliedern des Komitees unterzeichnet worden war. Weitere Verleihungen, unter anderem am 30. April 1917, erfolgten an General Ludendorff, General von Lossow, Hauptmann der Reserve Graf von der Schulenburg, Oberleutnant Graf Galen, den Leutnants der Reserve Dr. Martin Schede und Horst Schliephack sowie an dessen Bruder Otto und Dr.med. Fricke. In weiterer Folge wurden verschiedene Mitglieder des Komitees und zahlreiche Personen aus Österreich-Ungarn bzw. dem Osmanischen Reich ausgezeichnet. Eine genaue Liste liegt leider nicht mehr vor. Diese ersten Abzeichen wurden von den Berliner Firmen Paul Küst und Eugéne Godet & Sohn hergestellt. Die aufwendigen, größeren und teilweise emaillierten Stücke von Godet & Sohn waren dabei für die wichtigen und höhergestellten Personen vorgesehen, Unteroffiziere und Mannschaften erhielten die billigeren Blech-Abzeichen von Paul Küst. (Weiter unten davon mehr!)

Blech-Abzeichen für Mannschaften Trageweise link oder rechts ? 1. Verleihung GFM Hindenburg Herman Göring

Nach die Auflösung der Georgischen Legion beschlossen worden war, meldete der Adjutant und Stellvertreter des Leiters der Legion (Graf v.d.Schulenburg) Leutnant der Reserve Dr. Martin Schede, der sich zugleich als Verbindungsoffizier bei der Legion in Kerassunt befand, seinem Vorgesetzten nach Konstantinopel, dass das Offizierskorps der Legion den Wunsch ausgesprochen habe, das „Abzeichen“ möge jedem verliehen werden, der als Offizier, Unteroffizier und Soldat der Legion angehört habe. Daraufhin wurde nach Genehmigung durch das Komitee das „Abzeichen“ mit einer Urkunde des Komitees allen Angehörigen der Georgischen Legion verliehen. Nachdem in Folge der Oktoberrevolution die russischen Fronten allmählich zusammenbrachen, erlangte Georgien (kurzfristig) eine Art Selbständigkeit, jedoch als Republik, obwohl weite Teile des Komitees und der ehemaligen Legion eher monarchistisch eingestellt waren. Die Reste der Georgischen Legion wurden von Rumänien nach Tiflis transportiert und dort in die, im Aufbau begriffene, georgische Nationalarmee eingegliedert. Am 26. Mai 1918 erfolgte die Unabhängigkeitserklärung Georgiens.

Im Herbst 1918 kamen deutsche Truppenverbände unter Generalmajor Freiherr Friedrich Kress von Kressenstein nach Georgien. In diesen nun dort eingesetzten Verbänden dienten auch einige Offiziere und Unteroffiziere, die das „Abzeichen der Königin Thamar“ schon früher verliehen bekommen hatten und es jetzt selbstverständlich zur Uniform trugen, was die Bekanntheit auch in weiten Kreisen des deutschen Offizierskorps steigerte. Als im November 1918 der Zusammenbruch des Deutschen Reiches erfolgte, wurde, wie überall, auch bei den deutschen Truppen in Transkaukasien ein Soldatenrat gebildet. Dieser regte während eines Besuches bei dem georgischen Kriegsminister General Mdivani an, die Regierung der Republik Georgien möge doch sämtliche in Georgien anwesenden deutschen Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten den „Orden der Königin Thamar“ verleihen. Die neugeschaffene Republik Georgien aber lehnte das Ordenswesen grundsätzlich ab und verlieh auch keine ehemals russischen oder eigene, neue Auszeichnungen. Aufgrund der unterschiedlichen politischen Haltung des Komitees und der republikanischen Regierung kam eine Übernahme dieser Auszeichnung durch den neuen Staat absolut nicht in Frage. Trotzdem wollte man das gute Einvernehmen mit dem deutschen Soldatenrat nicht gefährden und so erließ der Kriegsminister der georgischen Regierung folgdene zweisprachig publizierte Verfügung über den „Orden der Königin Thamar“, oder wie er auch genannt wurde „Orden der Heiligen Thamar“ (auf georgisch: tamar mewis ordena). Diese Verfügung wurde dann in einem Rundschreiben an sämtliche damals im Kaukasus befindlichen deutschen Verbände gesandt. Dazu erließ das deutsche Truppenkommando am 19. Dezember 1918 eine Anlage zum Tagesbefehl. Im Folgenden der deutsche Wortlaut beider Rundschreiben:

Georgische Republik / Nr. 5352 / Tiflis, den 12. Dezember 1918

 
Für die Verdienste in Georgien wird hiermit den Offizieren und Mannschaften der deutschen Truppen im Kaukasus, die nach dem 4. November 1918 in Georgien verblieben sind, das Recht zugesprochen, den Orden der Heiligen Tamara zu tragen.
gez. Mdivani
Der Kriegsminister

 

Truppenkommando / Tiflis, 19. Dezember 1918

Anlage zum Tagesbefehl
 
Beifolgend der von der Georgischen Regierung ausgestellte Ausweis für die Verleihung des Ordens der heiligen Tamara. Auf Grund desselben sich an die Offiziere und Mannschaften vorläufige Besitzzeugnisse auszustellen. Letztere sind von dem Führer der Formation und einem Mitglied des engeren Soldatenrates zu unterzeichnen.

Die endgültige Ausstellung des Originalbesitzzeugnisses erfolgt in der Heimat, woselbst die Urkunde mit dem Ordensband verliehen wird. Es steht den Inhabern der Besitzzeugnisse frei, sich den Orden selbst in der Heimat zu kaufen.

Als Anlage ein Muster des vorläufigen Besitzzeugnisses.

gez. Frhr.v.d.Goltz

Da die Georgische Regierung nicht in der Lage und eigentlich auch nicht willens war, diese Auszeichnung im Lande herstellen zu lassen, blieb allen Beliehenen nun nichts anderes übrig als sich später nach der Heimkehr in Deutschland mit Insignien zu versorgen. Neben den beiden schon genannten Firmen wurde hier hauptsächlich von der Firma Ordens- und Militäreffektenfabrik Paul Meybauer in Berlin der Bedarf - in drei preislich unterschiedlichen Ausführungen - gedeckt.

Qualität III - oxydiertes Blech Qualität II - Silber, teilweise emailliert Qualität I - Silber, teilw. emailliert u. vergoldet

Mit Schreiben vom 8. Juli 1919 wandte sich das Kriegsministerium/Personalamt in Berlin an das Auswärtige Amt „ob gegen die Anerkennung des Ordens der Heiligen Tamara der Republik Georgien dortseits Bedenken bestehen“. Das Auswärtige Amt antwortete relativ eindeutig: „Vom politischen Standpunkt würde ich keine Bedenken dagegen sehen, dass das Kriegsministerium den beliehenen Soldaten und Offizieren die Freude macht, den Orden in den amtlichen Papieren ebenso aufzuführen wie andere Kriegsauszeichnungen. Eine eigentliche Anerkennung des Ordens ist jetzt ebenso unmöglich, wie eine Anerkennung der Georgischen Republik. - 12./7./1919/.“ Im Übrigen sandte das Auswärtige Amt mit Schreiben vom 14. Juli 1919 diesen Vorgang mit der Bitte um eine gutachtliche Äußerung an den damaligen deutschen Kommandeur in Transkaukasien, General Freiherr Kress von Kressenstein in Nürnberg. Dieser antwortete mit einem Schreiben vom 19. Juli 1919 in folgender Weise: „Die Verleihung des Ordens der heiligen Tamara rief bei den Offizieren und der Mannschaft lebhafteste Freude hervor. Ich bin sicher, dass sich die große Mehrzahl der Mannschaften den ziemlich teuren Orden beschafft hat. Die Nichtanerkennung des Ordens würde bittere Enttäuschung bei den Leuten hervorrufen und die Georgier, die bei Verleihung der Auszeichnung von den besten Absichten gelenkt waren, sicherlich verstimmen. Ich schließe mich deshalb den vorstehenden Ausführungen des Auswärtigen Amtes vom 12. VII. 1919 an und erlaube mir vorzuschlagen, dass zwar zunächst von einer offiziellen Anerkennung des Ordens durch die deutsche Regierung abgesehen wird, dass aber das Kriegsministerium vorbehaltlich der späteren Anerkennung des Ordens verfügt, dass die Verleihung des Ordens in den Militärpapieren zu vermerken ist. gez. Frhr.von Kress“ Dabei ist es dann auch geblieben. Eine ausdrückliche Anerkennung des „Ordens“ der in Wirklichkeit ein „Ehren-Erinnerungsabzeichen“ war, hat seitens deutscher Dienststellen nicht stattgefunden. Durch die Eintragung in den Militärpapieren aber war indirekt das Tragen gestattet worden.

Im Jahre 1921 hörte die Republik durch den Einmarsch der Roten Armee auf zu bestehen. Schon vorher waren, besonders Mitglieder adeliger Familien, nach Österreich und Deutschland ins Exil gegangen. Nachdem Georgien defacto ein Teil der Sowjetunion geworden war flüchtete wer konnte, darunter auch zahlreiche Mitglieder der ehemals regierenden Bagratidenfamilie, ins Ausland. Um das Jahr 1924 herum dürften Angehörige des Hochadels evtl. welche, die davor dem Komitee angehört hatten, aus dem militärischen Abzeichen einen königlich-georgischen Orden gemacht haben. In der darauf folgenden Jahren schien es zu Verleihungen an politisch und diplomatisch wichtige Personen, wie zum Beispiel Herman Göring, gekommen zu sein. Über die Vorgänge dieser Zeit ist so gut wie nicht bekannt und wurde auch von Dr. Klietmann nichts recherchiert, möglicherweise, weil er sich nur mit dem Beginn der Auszeichnung beschäftigen wollte. Vielleicht wird es über die Jahre 1925-1955 neue Erkenntnisse geben, wenn die königlich-georgische Familie ihr evtl. vorhandenes Archiv Forschern wie mir zugänglich macht. Fakt ist jedoch, dass während noch Nachkommen des letzten Königs in Georgien lebten, proklamierte sich 1942 Irakli Bagration-Muchrani, Abkömmling einer nachgeordneten Linie der Familie, zum Oberhaupt des königlichen Hauses und gründete die Union georgischer Traditionalisten. Möglicherweise erhoffte sich die Familie mit Hilfe der vordringenden Deutschen Wehrmacht zu einem unabhängigen Staat Georgien zu gelangen, doch wie in so vielen Fällen (Ukraine, Baltische Staaten, Slowakei, Kroatien etc.) war das nur trügerisch und die Sowjets hätten furchtbare Rache genommen. Nach Ende des 2. Weltkrieges verlor Deutschland als Exilland ebenso wie als möglicher Unterstützer einer monarchistischen Unabhängigkeitsbewegung jede Bedeutung. Aus den 1950er Jahren gibt es Fertigungen des Ordens auf Basis brillantierter, statt glattstrahliger Bruststerne, die offensichtlich in Brüssel und in Paris gefertigt worden sind. Wie bei Herstellern dieser Länder üblich finden sich neben der vertikalen Nadel auch noch links und rechts je ein Tragehacken auf der Rückseite. Diese Fertigungen mit brillantierten Sternen werden in Sammlerkreuzen kurz "französische Fertigungen" genannt. Auch tauchen in den 1960er Jahren Ordensinsignien aus unedlem Metall auf, die offensichtlich der mittleren Qualität der Firma Paul Meybauer entsprechen, jedoch nicht mehr versilbert oder gar aus Silber gefertigt sind.

Fertigung 1960er Jahre - Avers Fertigung 1960er Jahre - Revers aktuelle Miniatur

Als das Oberhaupt der im Exil lebenden Familie Prinz Irakly Bagration (1909-1977) den sechsstufigen Hausorden „Order of the Eagle of Georgia and Tunic of Our Lord Jesus Christ“ stiftete, geriet der Orden der Königin Thamar zusehens in Vergessenheit. Heute lebt die Familie Bagration-Muchrani in Rom. Gegenwärtiges, von Georgien anerkanntes Oberhaupt des Hauses ist David Bagration-Muchrani (spanisch David Bagration de Mouchrani y de Zornoza), der 1976 in Madrid geboren wurde und inzwischen in Georgien lebt. 2003 verlegte er seinen Wohnsitz nach Tiflis und hat seither eine doppelte Staatsbürgerschaft. Nach herrschender Auffassung ist jedoch Nugsar Bagration-Grusinski, Direktor des Tumanischwili-Theaters in Tiflis, seit 1984 das Oberhaupt als ältester patrilinearer Abkömmling von Kartlien-Kachetiens letztem König, Giorgi XII. Die Nachfahren der imeretischen Bagratiden-Linie haben diesen Anspruch 2007 bestätigt. Am 8. Februar 2009 heiratete David Bagration-Muchrani Anna Bagration-Grusinski, die älteste Tochter seines Rivalen um die georgische Thronfolge, Nugsar Bagration-Grusinski. Die Heirat vereint die Grusinski- und die Muchrani-Zweige der georgischen Bagratiden-Dynastie.

Das aktuelle Oberhaupt der königlich-georgischen Familie H.R.H. Davit Bagrationi Mukhran Batonishvili (georgische Schreibweise) nahm sich nun dem stiefmütterlich behandelten alten Orden wieder an und erklärte in zum zweithöchsten Orden des Königshauses von Georgien. Gleichzeitig veränderte er die äußere Form indem er eine Königskrone oberhalb des Mittelmedaillons anbringen lies. Als Haupthersteller wurde die traditionsreiche Firma Cejalvo in Madrid autorisiert. Diese stellt heute Ordenssterne mit 9,5 cm Durchmesser in massivem Silber her, zusammen mit 2 cm großen Miniaturen. Diese ebenfalls in Silber gefertigten Miniaturen sind an einem roten Bändchen mit weißen Seitenstreifen, was eigentlich nicht dem korrekten Band entspricht, befestigt.  Die aktuellen Urkunden sind 42 cm x 30 cm groß und farbig bedruckt.

Sogenannte französische Fertigung Aktuelle Fertigung der Firma Cejalvo aus Silber, teilweise emailliert. Rückseite der Cejalvo-Fertigung Verleihungsurkunde aus dem Jahre 2010

 

Gestaltung der Dekorationen

1.) Typ - Fertigung der Firma Eugéne Godet & Sohn, Berlin - wie sie 1917 an Offiziere und höhergestellte Persönlichkeiten ausgegeben worden ist: Ein achtstrahliger, glatter silberner Stern mit einem Durchmesser von 88 mm. Aufgelegt ein schwarz lackiertes rundes Mittelmedaillon mit dem, leicht nach rechts blickenden, vergoldeten Gesicht der Königin Thamar. Die Umschrift: "kartuli legioni 1915" als vergoldeten, georgischen Buchstaben verläuft auf einem rot emaillierten Schriftring. Der Durchmesser des Mittelmedaillons beträgt insgesamt 33 mm. Die Farben dieser Fertigung ergeben zusammen die Nationalfarben von Georgien - Weiß (Silber), Rot ud Schwarz!

2.) Typ - Fertigung der Firma Paul Küst, Berlin - wie sie 1917 an Unteroffiziere und Mannschaften ausgegeben worden ist: Ein achtstrahliger, grau-oxydierter, hohl geprägter Metallstern mit einem Durchmesser von 71-72 mm. Der Stern ist aus relativ dünnem Blech ähnlich wie die preußischen Czako-Sterne, ebenso das gelbbronzene erhaben gepresste Mittelmedaillon. Dieses hat einen Durchmesser von 27,5 mm und zeigt das bekannte Portrait bzw. den Schriftzug, ist jedoch weder emailliert noch lackiert.

3.) Typ - Fertigungen der Orden- und Militäreffektenfabrik Paul Meybauer, Berlin - wie sie nach Kriegsende (ab 1919) zum allgemeinen Verkauf angeboten wurden. Es gib drei qualitativ und daher preislich unterschiedliche Fertigungen. Die Sterne sind in allen Qualitäten 71,5 mm im Durchmesser und die verschieden ausgeführten Mittelmedaillons haben einen einheitlichen Durchmesser von 27 mm. Bei den preisgünstigsten Sternen der III. Qualität (auch fälschlich 3.Klasse genannt) ist der Stern aus unedlem Metall grau oxydiert und das Mittelstück versilbert, jedoch nicht emailliert. Die Sterne der II. Qualität (fälschlich auch 2.Klasse genannt) sind entweder dick versilbert oder ganz in Silber gefertigt. Es kommen auch Exemplare vor, bei denen die Sterne nicht patiniert, sondern hell-silber poliert sind - was wohl auf den Geschmack der Träger zurückgeht. Das Spruchband des, ansonsten silber-patinierten Mittelmedaillons ist blau emailliert. Die Sterne der I. Qualität (fälschlich auch 1. Klasse genannt) sind in Silber (patiniert) gefertigt, das Mittelmedaillon ist vergoldet - dadurch sind das Portrait und die Schriftzeichen in Gold - und das Schriftband bzw. der Hintergrund des Portraits blau emailliert. Woher plötzlich statt Schwarz und Rot die blaue Emailfarbe herkommt bleibt ungeklärt.

4.) Typ - sogenannte französische Fertigungen - sind von verschiedenen Firmen in Frankreich (Baqueville ? / Arthus Bertrand ?) aber möglicherweise auch in Belgien oder der Schweiz hergestellt worden. Diesen Fertigungen ist eines gemeinsam, sie verwenden einen achtstrahligen, aber brillantierten, Stern als Basis, das Mittelmedaillon ist oft vergoldet, aber immer blau emailliert. Dies deutet darauf hin, das diese Sterne als Vorlage die Produkte von Paul Meybauer benutzten. Um den Zeitraum der ersten Herstellung grob etwas einzuschränken sei vermerkt, dass ein solches Exemplar in den frühen 1950er Jahren von der American Numismatic Society für deren Museum in New York angekauft worden ist. Ebenfalls typisch für diese Fertigungen sind die beiden Tragehaken links und rechts der senkrechten Nadel auf der Rückseite der Sterne. Der Durchmesser dieser brillantierten Bruststerne liegt meist zwischen 90 und 95 mm.

5.) Typ - Fertigung aus den 1960er Jahren - offenbar nach der Erscheinung der Publikation von Dr. Klietmann 1964 - da er diese nicht erwähnt - entstanden. Gleicht im wesentlichen der mittleren Qualität II der Produkte von Paul Meybauer. Die Sterne und das Mittelmedaillon sind jedoch nicht versilbert sondern aus grau-oxydierten unedlem Metall mit einem Durchmesser von 71 mm. Das aufgelegte Mittelmedaillon hat einen Durchmesser von 28 mm und das Spruchband ist dunkelblau emailliert. Auf der relativ auffällig gestalteten Rückseite ist die Nadel manchmal senkrecht, manchmal waagrecht angebracht, was offenbar eine Schlampigkeit bei der Herstellung ist.

6.) Typ - Fertigung der Firma M. Cejalvo, Madrid - die aktuelle, vom Königshaus autorisierte Fertigung. Der achtstrahlige, glatte, leicht bombierte Stern hat einen Durchmesser von 95 mm. Darauf aufgelegt ist das runde, blau emaillierte Mittelmedaillon und das Portrait der Königin Thamar, sowie darüber eine mit rotem Email gefütterte Königskrone. Die gesamte Auszeichnung ist in Silber gefertigt. Die Krone und das Mittelmedaillon, welches einen Durchmesser von 36 mm hat, sind jeweils mit zwei Nieten am Sternkorpus befestigt. Auf der Rückseite befinden sich zwei kleine Tragehaken. Zu dieser Fertigung gibt es auch eine entsprechende, 20 mm große, Miniatur.

 

Quellen & Literatur:
Wikipedia-Einträge zum Königshaus von Georgien
Burke's Peerage & Gentry - World Orders of Knighthood and Merit - bringt nur etwas über den höchsten Hausorden (Orden des Georgischen Adlers und vom Gewande Jesu) aber gute Details zur Familiengeschichte
Dr. Kurt Klietmann: Das Abzeichen und der Orden der Königin Thamar in Georgien 1916 und 1918; in Ordenskunde, Beiträge zur Geschichte der Auszeichnungen; Berlin 1964
Dr. Kurt Klietmann: The Badge and the Order of Queen Thamara; in: The Medal Collector - official magazin of the OMSA - September/October 1957
David M. Lang: War Medals and Paper-Money of Georgia in Transcaucasia (1915-1924); in: The American Numasmatic Society Museums Notes VII; New York 1957
Dr. Otto Neubecker: Orden Georgiens und türkische Kriegsauszeichnungen; in: Uniform-Markt 3. Jahrgang/Folge 17 - Berlin 15. Oktober 1936

 

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